Das Belvedere trauert um Lois Weinberger
Team Belvedere, 22.04.2020 | Generaldirektorin Stella Rollig„LOIS WEINBERGER HAT ÖKOLOGISCHES DENKEN AVANT LA LETTRE ALS PHILOSOPHISCHE DISZIPLIN AUFGEFASST – ER WAR EINER DER GROSSEN WEISEN DER ZEITGENÖSSISCHEN KUNST. PERSÖNLICH TRAUERE ICH UM EINEN KLUGEN, RUHIGEN UND LIEBEVOLLEN MENSCHEN, MIT DEM ICH SEIT DREISSIG JAHREN IMMER WIEDER ZUSAMMENARBEITEN DURFTE, SO BEI EINER GROSSEN PERSONALE IM LENTOS ANLÄSSLICH DES KULTURHAUPTSTADTJAHRES LINZ09. UNSERE ERNEUTE ZUSAMMENARBEIT FÜR DAS BELVEDERE WIRD IN LOIS’ GEIST MIT SEINER FRAU FRANZISKA FORTGESETZT WERDEN.“
Wien (OTS) – Seit Herbst 2018 plant das Belvedere eine große Einzelausstellung Lois Weinbergers im Belvedere 21. Der Künstler, der seine Praxis als poetische Feldarbeit bezeichnete, arbeitete bis zuletzt an der Konzeption dieser Schau, die sich im Sommer 2021 über das gesamte Erdgeschoss des Belvedere 21 bis in den Skulpturengarten und den Schweizergarten erstrecken soll.
Die Sammlung des Belvedere verfügt über zentrale Arbeiten Weinbergers, die es ermöglichen, dessen Schaffen als einen wichtigen Beitrag zur internationalen Kunstentwicklung zu erkennen. Im Skulpturengarten des Belvedere 21 installierte Lois Weinberger 2012 einen hohen Stahlkäfig, in dem die Aufforstung durch Spontanvegetation ohne menschliches Zutun erfolgt. Wie in einem Wortspiel griff Weinberger den Begriff des „White Cube“ auf, der angeblich ideale Voraussetzungen für die Präsentation von zeitgenössischer Kunst bietet, und schuf mit dem „Wild Cube“ einen Kontrast und einen Freiraum, der das uneingeschränkte Wachsen von Pflanzen frei von menschlichem Eingreifen erlaubt. Durch seinen prozesshaften Charakter macht das Bauwerk ein beständiges Werden und Vergehen sichtbar.
Lois Weinberger setzte sich von den 1970er-Jahren an künstlerisch mit der Schnittstelle von Natur und Zivilisation auseinander. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Franziska arbeitete der Tiroler Konzeptkünstler und Forscher bis zuletzt an einem poetisch-politischen Netzwerk, das den Blick auf Randzonen lenkt und Hierarchien unterschiedlicher Art infrage stellt. Der zweifache Documenta-Teilnehmer hat mit seiner Arbeit die neue Debatte zu Kunst und Natur von den frühen 1990er-Jahren bis heute maßgeblich mitbestimmt.
Generaldirektorin Stella Rollig über den Verlust: „Lois Weinberger hat ökologisches Denken avant la lettre als philosophische Disziplin aufgefasst – er war einer der großen Weisen der zeitgenössischen Kunst. Persönlich trauere ich um einen klugen, ruhigen und liebevollen Menschen, mit dem ich seit dreißig Jahren immer wieder zusammenarbeiten durfte, so bei einer großen Personale im LENTOS anlässlich des Kulturhauptstadtjahres Linz09. Unsere erneute Zusammenarbeit für das Belvedere wird in Lois’ Geist mit seiner Frau Franziska fortgesetzt werden.“
Mit Lois Weinbergers Tod verlieren die Kunstwelt und das Belvedere einen unermüdlichen Visionär. Seine einzigartige Sichtweise auf die Natur, die er in Zeichnungen, Skulpturen, Kunst im öffentlichen Raum, Notizen und Fotografien übersetzte, wird bleiben.
Stella Rollig und das Team des Belvedere
AUSSTELLUNG IM BELVEDERE VON 2. JULI 2021 – 26. OKTOBER 2021
„Lois Weinberger“
LOIS WEINBERGER (* 1947 IN STAMS, TIROL) WAR EIN FRÜHER UND VISIONÄRER KRITIKER DER VERWERFUNGEN DES ANTHROPOZÄNS UND GILT ALS VORDENKER EINER ANDEREN, KÜNSTLERISCHEN ÖKOLOGIE. AB DEN 1990ER-JAHREN PRÄGTE ER DEN DISKURS UM DAS VERHÄLTNIS VON NATUR UND KULTUR WESENTLICH MIT. ZWISCHEN IRONISCHEM SCHAMANISMUS UND KONZEPTUELLER, ABER POETISCHER STRENGE ZEIGEN SEINE WERKE DIE GRENZEN MENSCHLICHER HANDLUNGSMACHT AUF UND MACHEN UNSERE ÜBERLEGENHEIT ÜBER DIE UMWELT ALS ILLUSION ERFAHRBAR. WEINBERGERS ARBEITEN HINTERFRAGEN UNSERE ETHISCHEN MASSSTÄBE, DENEN SIE SCHEINBAR RANDSTÄNDIGES, NUTZ- UND WERTLOSES GEGENÜBERSTELLEN. DABEI BRINGEN SIE EINEN ALLES UMFASSENDEN, UNVERMEIDBAREN KREISLAUF AUS WERDEN UND VERGEHEN LUSTVOLL ZUM AUSDRUCK. NOCH VOR SEINEM TOD IM APRIL 2020 KONZIPIERTE LOIS WEINBERGER SEINE SCHAU BASICS FÜR DEN INNEN- UND AUSSENRAUM DES BELVEDERE 21. WERKE AUS DEN LETZTEN JAHRZEHNTEN WERDEN ERSTMALS IN WIEN ZU SEHEN SEIN.
Kuratiert von: Severin Dünser